„Das darf doch nicht wahr sein…“

„Das darf doch nicht wahr sein“ waren vielleicht die ersten Worte, die Maria durch den Kopf gegangen sind. „Das darf doch nicht wahr sein, eine Volkszählung? Und wir, wir müssen nach Bethlehem. Und das in meinem Zustand, kurze Zeit vor der Geburt meines ersten Kindes“.

„Es begab sich aber zur der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte“. (Lukas 2, 1 – 6)

Ich weiß nicht, wie die Zeit vor der Geburt des ersten Kindes einer Familie zur Zeit Jesu ausgesehen hat. In den letzten Monaten hatte ich im näheren Umfeld die Gelegenheit das zu erleben. Und ich habe mich dann an die Zeit vor der Geburt unserer ersten Tochter erinnert. An was da alles gedacht werden muss, was alles hergerichtet werden muss. Nicht ohne Grund sagt man von Frauen, die ein Kind auf die Welt bringen werden, dass sie ab einem bestimmten Zeitpunkt einen Nestbautrieb bekommen. Wenn es das erste Kind ist, scheint dieser besonders ausgeprägt zu sein. Schließlich ist es das erste Mal, und man weiß noch nicht so ganz genau, wie das alles werden wird, und was man da so alles brauchen wird. Der Nestbautrieb ist nichts Abwertendes, das ist einfach so. Was da unter dem Herzen einer jeden werdenden Mutter heranreift, soll es gut haben auf dieser Welt, es soll geschützt aufwachsen können.

Für Maria, die junge Frau aus Nazareth, muss eine Welt zusammengebrochen sein, als sie mitbekommen hat, dass die Geburt ihres Kindes nicht in Nazareth stattfinden wird. Wo diese Geburt stattfinden würde, das wusste sie nicht. Vor ihr lag eine Reise, die sie vor wenigen Monaten schon einmal gemacht hatte. Bethlehem liegt ganz in der Nähe vom Wohnort von Elisabeth, der Mutter Johannes des Täufers. Wenige Monate vorher war Maria diesen Weg schon einmal gegangen. Aber diesmal waren das ganz andere Umstände. Als hochschwangere Frau mehr als 100 km ohne Auto, Zug oder Bus, nur mit den Transportmitteln der damaligen Zeit, das war kein Spaß.

Maria und Josef machen sich also auf eine Reise ins Ungewisse. Doch nicht nur sie waren unterwegs, gefühlt die halbe Welt war auf den Füßen. Und als sie endlich in Bethlehem angekommen waren, hatte das Begrüßungskomitee leider schon Feierabend. Keiner hat auf sie gewartet, keiner hat sich um sie gekümmert, es war allen egal. Nur ein Stall blieb übrig, in dem sie Unterschlupf finden konnten, gerade noch rechtzeitig.
Ich habe mich gefragt, warum steht das eigentlich so in der Weihnachtsgeschichte?
Weil Gott in Jesus Mensch geworden ist in aller Konsequenz. Ungeschützt den Widrigkeiten des Lebens ausgesetzt. Der Messias, der Retter, kommt nicht in einem Palast zur Welt in sicheren Umständen, sondern irgendwo im Nirgendwo.
In meinen Augen will Gott uns damit sagen: „Ich kenne eure Sorgen und Nöte, ich betrachte das Ganze nicht aus einer Distanz, sondern ich weiß, wovon ihr redet. Ich war da, ich habe meinen Sohn genau diesen Schwierigkeiten und Gefahren ausgesetzt. Ich bin dir nahe, weil ich weiß wie du fühlst. Ich kann mitreden. “

Ist es nicht tröstlich zu wissen, dass Gott sich auch in Schwierigkeiten und Nöten, die wir auf dieser Erde haben, auskennt, dass ihm das nicht neu ist? Ist es nicht tröstlich zu wissen, dass er Erfahrung hat mit unseren Schwierigkeiten und Nöten und wie man damit umgeht. Ist es nicht tröstlich für uns zu wissen, dass egal wohin wir gehen, Gott immer dabei sein wird, nur ein Gebet weit entfernt?

Maria und Josef haben sich auf den Weg gemacht im Vertrauen darauf, dass Gott weiß, was er tut und dass Gott immer da ist, egal was auch passiert, wo und wie die Reise endet.

Ich wünsche euch einen schönen vierten Advent.

Jörg Mühlhäuser